Passend gemacht!
Rosa, Lila oder Glitzer? Nein, das ist nicht unsere heutige Frage (und wird es wohl auch nie sein).
Wir werfen einen Blick auf die weibliche Anatomie und wie wir Girls unsere Bikes optimal an unseren Körper anpassen können.
Ziel dieser zweiteiligen Artikelserie ist: mehr Komfort, bessere Fahrtechnik und keine Schmerzen mehr im Nacken, Po oder sonstigen Körperteilen.
Im ersten Teil geht es um's Cockpit: Also um den Fahrradlenker und diverse dort vorhandene Teile wie Griffe, Bremshebel und Vorbau.
Der zweite Teil des Artikels beschäftigt sich mit dem Satteleinstellungen, Kurbellänge und dem Reifendruck, der bei leichten Ladies durchaus etwas weniger sein darf.
Federelemente, also Federgabel und Dämpfer sollten für jede Fahrerin und jeden Fahrer individuell zum Körpergewicht samt Gepäck eingestellt werden. Vielleicht gibt's dazu mal einen eigenen Artikel oder du wirst einen Blick auf Youtube zum Thema "Fahrwerk einstellen".
In diesem Artikel erfährst du …
… die Möglichkeiten der Anpassungen an den verschiedenen Teilen deines Bike-Cockpits, deines Sattels, deiner Kurbel und einen Richtwert für den Reifendruck.
… wie du deine persönliche, ideale Position findest.
… wie du die Anpassungen selbst durchführen kannst.
Für alle LADIES, die gleich selbst Hand anlegen und ihre Fahrtechnik verbessern wollen:
Nun lasst uns endlich loslegen!
Der Lenker und seine Breite
Moderne Mountainbikes – auch kleine Rahmengrößen – werden zugunsten einer verbesserten Balance oft mit recht breiten Lenkern bestückt. Hat frau nun aber nicht gerade überproportional lange Arme oder breite Schultern, dann können diese Lenker rasch zu breit ausfallen.
Das kann man an folgenden Dinge beobachten.
- In engen Kurven wird dein äußerer Arm "zu kurz".
- Du sitzt zu gestreckt am Bike, um die Lenkerenden zu ergreifen und hast infolgedessen möglicherweise Nackenschmerzen.
- Deine Arme sind ganz durchgestreckt, anstatt locker angewinkelt.
- Du greifst instinktiv lieber in Richtung Lenkermitte ODER du verspürst den Drang, nur mit den Fingerspitzen zu lenken.
Wenn du dich hier wieder findest, kannst du eine Kürzung deines Lenkers um einige Zentimeter schon mal überdenken. Damit einhergehend montierst du auch Bremshebel und Schalthebel etwas näher an der Mitte, denn an diesen Elementen orientiert sich ja letztlich deine Handhaltung.
Um die ideale Breite zu finden,…
- setze die besagten Brems- und Schalthebel mal näher in Richtung Lenkermitte (Festziehen nicht vergessen!).
- Greif' dann ganz "intuitiv" auf den Lenker und lass dich von den Lenkergriffen nicht beirren.
- Teste deinen Lenkeinschlag auch bei sehr engen Kurven. Erreicht deine äußere Hand noch gut den Griff, ohne dass sich dein ganzer Oberkörper mitbewegen muss?
Dein Bike-Fachhändler hilft dir bestimmt, einen Alu- oder Carbon-Lenker professionell zu kürzen oder du tauschst deinen Lenker einfach gegen einen schmaleren.
Die Lenkergriffe
Viele Frauen haben von Natur aus kleinere Hände als Männer. Um den Lenker besser zu umfassen, kann dir ein dünnwandiger Lenkergriff schnell mehr Freude am Bike bescheren und das gute Gefühl, dass du deinen Lenker "fest im Griff" hast.Ob harte oder weiche Gummimischung, Moosgummi, mehr oder weniger Materialstruktur, Auflagefläche für die Handkante, … bei der Auswahl hast du letztlich die schöne Qual der Wahl.
Die Bremshebel und ihre Erreichbarkeit
Der Abstand von Bremshebel zu Lenker lässt sich bei hochwertigen Modellen und Marken mittlerweile ganz einfach einstellen. Wichtig: Das hat nichts mit dem BremsDRUCK zu tun, sondern nur mit der Erreichbarkeit des Hebels für kürzere oder längere Finger.
Die richtige Distanz:
- Du sollst mit dem Zeigefinger jederzeit den Bremshebel erreichen, ohne den Griff am Lenker lockern zu müssen.
- Wenn deine Bremse voll gezogen ist, soll der Bremshebel weder am Lenkergriff anstehen, noch andere Finger "quetschen".
Je nach Modell und Marke hast du verschiedene Möglichkeiten, um den Bremshebel-Abstand anzupassen:
- Ein kleines Einstellrädchen an der Oberseite ermöglicht die Anpassung ganz ohne Werkzeug.
- Ein Innensechskant-Kopf versteckt sich direkt im Hebelansatz. Schau dazu sozusagen entlang des Hebels "rein". Um den Hebelabstand zu verändern, dreh mit einem Sechskantschlüssel an der Schraube.
Der Vorbau
Am Übergang vom Lenker zur (Feder-)Gabel deines Bikes findest du den Vorbau. Der kleine Stummel ist wie eine Art Verlängerung deines Oberrohrs (das obere Rohr deines Fahrradrahmens) und er ist ganz schön mächtig:
Unter anderem bestimmt der Vorbau
- deine "gefühlte" Sitzlänge vom Sattel bis zum Lenker.
- die Neigung bzw. wie aufrecht oder gestreckt du sitzt.
Über die Länge und die Neigung des Vorbaus kannst du deine individuelle Haltung also noch beeinflussen. Dazu ein paar Überlegungen:
Je kürzer und/oder je steiler der Vorbau, desto aufrechter sitzt du am Bike:
- das führt zu einem eher aufrechtem Rücken und zu einem gefühlt komfortablen Sitz (Stichwort "Hollandrad")
- Dein Kopf liegt weniger "im Nacken" sondern blickt eher geradeaus.
- Dein Schwerpunkt wandert Richtung Sattel (eher weg vom Vorderrad).
Je länger und flacher der Vorbau, desto gestreckter sitzt du am Bike.
- Dein Schwerpunkt wandert Richtung Lenker und Vorderreifen, wodurch du am Berg viel Druck aufs Bike bringst.
- Dein Rücken ist lang-gestreckter, dein Kopf ist mehr in den Nacken gelegt.
- Diese Position ist tendenziell die sportliche und renn-orientierte Position. Auf längeren, gemütlichen Strecken ist es jedoch nicht notwendig, eine so "aggressive" Haltung einzunehmen.
Bei der Wahl des passenden Vorbaus gibt's einiges zu beachten.
- Länge & Neigung
- Gabelschaft-Durchmesser
- Lenkerdurchmesser
- Material-Zusammenspiel zwischen Vorbau und Lenker
Weil es auch bei der Montage einige Kniffe gibt, empfehle ich hier einfach den Weg zum Fachhändler. Aber keine Sorge: der Umbau ist ganz schnell erledigt!
Besonders für Menschen mit anhaltenden Nackenbeschwerden kann eine Anpassung des Vorbaus durchaus hilfreich sein – diese Anpassung ersetzt aber natürlich nie ein von Haus aus passendes Fahrrad in der richtigen Größe.
Welche Übungen bei Nackenschmerzen helfen, zeige ich übrigens in diesem Artikel.
Nun hast du also mit Lenkerbreite, Griffe, Bremshebel-Abstand und Vorbau schon 4 Rädchen, mit denen du bei Bedarf dein Bike noch besser an dich anpassen kannst.
Übrigens: Wenn sich der eine oder andere Mann auch bei den beschriebenen Situationen oder Beschwerden wiederfindet, ist ein Ausprobieren der Bike-Hacks für Frauen durchaus erlaubt ;)
Der Sattel und deine Sitzposition
Dein Sattel erfüllt im wahrsten Sinne eine gewichtige Rolle: der Großteil deines Gewichts (samt Rucksack) ruht auf ihm, über deine Tretbewegung treibst du dein Bike an.
Weil es über den Sattel und das liebe Sitzfleisch so viel zu sagen gibt, findest du hier einen detaillierten Artikel über Satteleinstellungen und Hygiene.
Nun aber zu uns und den wichtigsten Anhaltspunkten für eine "normale" Sitzposition.
Gehe zuerst mal von diesen Einstellungen aus und justiere in Mini-Schritten, wenn du das Gefühl hast, in die eine oder andere Richtung ausbrechen zu müssen.
- Dein Sattel sollte in der Neigung waagrecht sein. So verhinderst du Druck auf den Schambereich oder ein Abrutschen in Richtung Lenker.
- Dein Sattel sollte zentral montiert sein. Und zwar so, dass bei waagerechter Kurbelposition ein Lot von deiner Kniescheibe durch deinen Pedalkontaktpunkt (deinen Vorfuß) geht.
- Um deine Sattelhöhe ideal einzustellen, treten mit der Ferse. Ist dein Bein beim "Fernsentritt" durchgestreckt (ohne mit der Hüfte zu wackeln oder noch abgewinkelte Knie zu haben), dann passt deine Sattelhöhe beim normalen Pedalieren mit dem Fußballen perfekt.
Ich beobachte, dass Frauen oft zu einem zu niedrigen Sattel tendieren. Das mag daher kommen, dass man sich sicherer fühlt, wenn man den Boden leichter erreicht. Für die Kraftübertragung ist ein zu niedriger Sattel jedoch eine Katastrophe und enorm ermüdend. Genauso wie ein zu hoher Sattel zu Hüft- und Rückenschmerzen und Aufscheuern führt.
Wie du deine ideale Positionen genau findest, einstellst und welche typischen Sitzbeschwerden du damit verhinderst, erkläre ich im Artikel "Der Sattel und das liebe Sitzfleisch".
Die Kurbellänge (für kurze Beine)
Mit jedem Tritt hast du einmal den Umfang deiner Kurbelumdrehung absolviert. Normalerweise sind die Kurbellängen schon recht gut auf die Rahmengröße des Bikes abgestimmt – ein XL Bike hat eine längere Kurbel als ein XS-Bike für Fahrerinnen mit (logischerweise) kürzeren Beinen.
Als Richtwert spricht man bei der Kurbellänge von 10% der Körpergröße.
Dennoch sind die Proportionen von Oberkörper und Beinen sowie das Verhältnis von Oberschenkel zu Unterschenkel höchst individuell.
Hast du also verhältnismäßig kurze Beine oder kurze Oberschenkel, kann eine etwas kürzere Kurbel zu einer "ausgewogeneren" Beinbewegung führen. Warum? Weil dadurch der Radius geringer wird und du dein Bein am höchsten Punkt nicht mehr so extrem abwinkeln musst. Auch umgekehrt kann gelten: Eine Frau mit recht kurzem Oberkörper und langen Beinen könnte vielleicht trotz kleiner Rahmengröße eine 5mm längere Kurbel nutzen und so ihre Beinkraft ideal umsetzen.
Ein Video deiner Tretbewegung kann hier einen ersten Anhaltspunkt geben, ob dein Bein möglicherweise sehr stark abgewinkelt ist oder vielleicht sogar zu gestreckt bleibt.
Möchtest du die Kurbel tauschen, empfehle ich den Weg zum Fachhändler. Mit der Kurbel hängt nämlich auch dein Kettenblatt zusammen, was natürlich zueinander passen muss.
PS: Auch Flat-Pedale gibt's in verschiedenen Größen, damit die Pins und deine Schuhsohle perfekt matchen!
Reifendruck anpassen
Sehr oft bekomme ich die Frage nach dem richtigen Reifendruck gestellt. Berechnungen und Formeln – gut und schön. Am Ende des Tages zählt, dass sich dein Reifen ideal mit dem Untergrund "verbindet". Dein Reifen ist im direkten Bodenkontakt und damit auch das erste Federelement, das wir zur Verfügung haben. Deshalb sollte der Reifendruck so sein, dass er Hindernisse gut "schlucken" kann und dennoch flott rollt.
Daumen mal Pi gebe ich als Antwort häufig: Mit 2 Bar machst du am Mountainbike nichts falsch. Was aber, wenn du gerade kein Messgerät zur Hand hast?
So ermittelst du deinen persönlichen Reifendruck:
Wir simulieren nun verkehrt herum ein "Ästchen", das der Reifen bei bestmöglichem Grip überwinden soll.
- Lege als "Ästchen" deinen Daumen am höchsten Punkt auf den Reifen.
- Leg nun den Daumenballen deiner zweiten Hand auf deinen "Ästchen-Daumen" und lehn dich mit deinem Körpergewicht auf die Hand.
- Schafft es deine Handfläche, den Reifen so weit "einzudrücken", dass du mit der flachen Handfläche den Reifen und seine Stollen spürst? Ideal!
- Oder ist dein Reifen so fest aufgepumpt, dass du deinen "Ästchendaumen" kaum reindrücken kannst? Dann ist definitiv zu viel Luft im Reifen und dein Reifen, es berührt nur deine Reifenmitte das Hindernis und du nutzt nicht den vollen Grip aus.
Wichtig bei diesem Selbsttest ist, dass du dich wirklich mit deinem Körpergewicht auf den Reifen stützt, um dein Fahrerinnengewicht zu simulieren. Nun siehst du auch, warum es wichtig ist, das als Frau selbst zu machen und nicht deinem 95kg-Wegbegleiter testen zu lassen. ;)
Von Kopf bis Fuß auf "Lady" eingestellt. So könnte die Zusammenfassung dieses Artikels lauten.
Du hast nun vom Cockpit über den Sattel bis zum passenden Reifendruck alles einmal genau unter die Lupe genommen. Vielleicht hast du dir schon beim Lesen an der einen oder anderen Stelle gedacht: "Ach, das könnte für mich auch gelten". Dann trau dich! Nimm Schritt für Schritt kleine Veränderungen vor, teste deine Anpassungen auf deiner Hausrunde und spür genau rein –
Es zahlt sich aus, perfekt am Bike zu sitzen!
PS: Lass mich noch eines festhalten: Deine ideale, schmerzfreie und kraft-effizienteste Position am Bike ist eine Kombination aus zig Faktoren, die alle zusammenwirken. Wenn du dich besonders intensiv damit beschäftigen willst, kann ich dir zu einem Bike-Fitting raten, wo du komplett vermessen wirst und viele Optimierungstipps mit nach Hause nehmen kannst.
Lust auf Infos vorab? Dann hol dir Tipps, Tricks und Termine frei Haus in deinen Posteingang!