Der Sattel und das liebe Sitzfleisch

Rückenschmerzen, Taubheitsgefühl, Schmerzen beim Sitzen, wundgeriebene Schenkel und Po – Nichts verdient am Bike wohl so viel Aufmerksamkeit, wie der (mögliche) Verursacher von all dem: unser Sattel! 

Deshalb widmen wir uns hier und jetzt dem Sattel, seinen vielen Anpassungsmöglichkeiten und der Vorbeugung von Sitzbeschwerden.


Darum gehts in "Der Sattel und das liebe Sitzfleisch"

In diesem Artikel erfährst du 

… wie dein Sattel ideal eingerichtet sein soll, dass du die ideale Position am Bike hast 

… welche typische Arten von Sitzbeschwerden es gibt, wenn die Einstellung nicht stimmt. 

… wie du diese Einstellungen selbst vornehmen und Sitzbeschwerden verhindern kannst 

… und welche Hilfsmittel und Hygienemaßnahmen es gibt, um Sitzbeschwerden vorzubeugen und was du im Falle von wunden Stellen unternehmen kannst. 



Wie du überhaupt DEINEN Sattel findest, ist eine andere Geschichte, der wir uns hier NICHT widmen. Der Abstand deiner Sitzbeinhöcker bestimmt deine Sattelbreite und damit schon mal, ob ein Sattel grundsätzlich zu dir passt oder nicht. Die Sattelform, Sattel-Länge und Festigkeit hängen dann noch von deinem Bike-Einsatzbereich, deiner Körperform und letztlich auch deinen Vorlieben ab. 

Eine sehr ausführliche Video-Version gibts vom Bike Magazin, das ich euch hier einfügen will:


Nun wird aber aufgesattelt! 

Der Sattel ist der "gewichtigste" Kontaktpunkt zwischen dir und deinem Bike. Der Großteil deines Gewichts ruht am Sattel, der Rest auf den Armen und Händen (am Lenker). Kämpfen wir also – oft ganz unbewusst – gegen eine Fehlstellung oder unpassende Position an, so äußert sich das unmittelbar an diversen Körperstellen. 

Dein Sattel sollte so eingestellt sein, dass folgendes gilt: 


Die Neigung: Der Sattel sollte waagrecht sein

Die Idealposition: Der Sattel sollte waagrecht ausgerichtet sein, also weder nach oben noch nach unten geneigt. 

Typische Probleme bei einem falsch geneigten Sattel: Zeigt die Sattelspitze zu steil nach oben, führt das zu einem hohen Druck auf das Schambein und Schmerzen und oder Taubheit im Genitalbereich. 

Zeigt der Sattel nach unten, wirst du am Sattel nach vor rutschen. Der Druck auf die Handflächen steigt, was zu Taubheitsgefühlen in den Fingern und zu erhöhter Belastung in den Unterarmen führen kann. Auch Wundscheuern ist ein typisches Zeichen davon, dass du unwissentlich immer minimal vor und wieder zurück rutschst.

Die Lösung: Du kannst den Sattel ganz einfach selbst ausrichten. Dazu benötigst du nur eine Wasserwaage und den passenden Sechskantschlüssel. 

Die Montagesysteme sind zwischen allen Herstellern ziemlich ähnlich: Unter dem Sattel findest du die beiden Sattelstreben, die mittels Halbschalen-Klemmen am Sattelrohr befestigt werden. Es gibt entweder eine zentrale Stellschraube oder eine vordere und eine hintere Schraube sorgen für Neigung und Stabilität.

  • Stell dein Bike auf einen waagrechten, ebenen Untergrund.
  • Lockere zuerst die Schrauben an den Sattelstreben, aber dreh sie nicht vollständig raus. Bringe nun den Sattel an der Oberfläche auf eine waagrechte Position.
  • Lass dich dabei nicht optisch von der Sattelstrebe unten täuschen, sondern leg eine Wasserwaage auf deinen Sattel oben drauf.
  • Je nachdem, ob dein Sattel zu sehr absinkt oder zu steil aufsteht, drehe nun an den Schrauben, bis es tatsächlich waagrecht ist.  

Aber Vorsicht! Bedenke auch die Sattelposition in der Waagrechten selbst und lies zuerst mal weiter, bevor du zum Werkzeugkoffer sprintest … 

Die Sattelposition in der Waagerechten - vor, zurück, zentral?

Die Idealposition: Auch horizontal hat dein Sattel einige Möglichkeiten: Die Position sollte so gewählt sein, dass ein Lot von der Kniescheibe durch den Pedalkontaktpunkt (= dein Fußballen auf der Pedalmitte) verläuft, wenn deine Kurbel in Waagrecht-Position ist. Wichtig: Diese Messung muss schon mit der korrekten Sattelhöhe stattfinden.

Typische Probleme bei einer falschen horizontalen Sattel-Ausrichtung: Ist dein Sattel zu weit vorne oder zu weit hinten positioniert, äußert sich das häufig in Kniebeschwerden. Auch Rückenschmerzen stehen aufgrund einer "verzerrten" Position häufig mit einer flaschen Sattelposition in Verbindung.

Die Lösung:

  • Lockere die Schrauben an der Sattelklemme leicht und schiebe den Sattel an die gewünschte Position.
  • Viele Sattelstreben haben eine Markierung, sodass du die exakte Mitte und deine individuelle Abweichung einfach feststellen kannst.
  • Achte beim Festschrauben wieder auf die Waagrechte der Satteloberfläche (siehe Ausrichtung)

Die Sattelhöhe 

Die Idealposition: Die ideale Sattelhöhe bedeutet die beste Kraftübertragung. Die ist dann gegeben, wenn du mit der Ferse am Pedal stehst und bei der Umdrehung dein Bein durchgestreckt ist. Musst du fürs Durchstrecken mit der Hüfte "wackeln" oder ist dein Knie immer noch leicht angewinkelt, dann ist der Sattel zu hoch oder zu tief. 

Typische Probleme bei falscher Sattelhöhe: 

Bei einem zu hohen Sattel bewegt sich bei jeder Kurbelumdrehung die Hüfte mit. Das kann zu vielseitig spürbaren Schmerzen führen: 

  • Rückenschmerzen und Schmerzen in den Hüftgelenken
  • in den Fußspitzen tritt ein Taubheitsgefühl aufgrund der Überbelastung des Vorfußes und überstrapazieren Nervenbahnen auf 
  • Dein Po scheuert sich vermehrt wund ode rauch die Oberschenkel-Innenseite  
  • du verspürst Schmerzen an den Sitzbeinhöckern aufgrund des erhöhten Drucks, selbst wenn du sonst keine Sitz-Schmerzen kennst 

Bei einem zu niedrigen Sattel zeigen sich folgende Symptome:

  • Sind deine Beine nie ganz gestreckt, vergeudest du wertvolle Trittkraft. Du strampelst dich wortwörtlich ab, was zu rascher Ermüdung deiner Beine führt und oft auch zu schmerzenden Oberschenkelmuskeln. 
  • Besonders bergauf wirst du die Tendenz verspüren, kräftiger nach unten "treten" zu wollen. Vielleicht gehst du dazu sogar häufiger aus dem Sattel in den Wiegetritt. Diese Bewegung schadet zwar nicht, ist aber ebenso unnötig ermüdend. 

Die Lösung: 

Du kannst den Sattel alleine oder mithilfe eines Partners ideal einstellen. 

  • Bitte einen Partner, dich am Lenker gut festzuhalten. 
  • Setz dich mit deinen üblichen Radschuhen und Bike-Bekleidung aufs Rad und stelle beide Fersen auf die Pedale.  
  • Trete nun rückwärts (sonst würdest du deinen Partner ja überrollen) und achte ganz genau darauf, ob dein Bein 
    a) gestreckt (passend) ist
    b) angewinkelt  (Sattel zu tief) ist oder
    c) überstreckt ist und die Hüfte rechts und links wackelt (Sattel zu hoch).
  • Bring den Sattel in die richtige Höhe. Das kann ein paar Versuche brauchen, bis du die perfekte Höhe gefunden hast.
  • Wenn du unsicher bist, dreh eine Runde und bitte deinen Partner, von hinten auf deine Hüftbewegung zu achten. 

Drei Arten der Sattelfixierung sind üblich:

  • der klassische "Schnellspanner": Mittels eines kleinen Hebels kannst du den Sattel bequem höher und niedriger stellen. Klappe den Hebel auf, lockere durch Drehung gegebenenfalls etwas die Klemmwirkung, Zieh den Sattel in die gewünschte Höhe. Drehe in die Gegenrichtung und schließe den Hebel wieder. Achte dabei darauf, dass die Sattelnase gerade ist. 
  • die hydraulische Sattelstütze: Bei der stufenlosen hydraulischen Sattelstütze kannst du mittels Lenker-Hebel den Sattel absenken und wieder ausfahren. Wichtig ist, dass deine höchste Sattelposition auch tatsächlich das "Ende" des Ausfahr-Weges ist. Du regelst deine Sattelhöhe als nicht über die Funktion des Hoch- und Niederfahrens, sondern über die Sattelstütze selbst. Und zwar funktioniert das auch hier, wie in der nächsten beschriebenen Fixierung, über eine Innensechskant-Schraube. Wenn du die Sattelstützen-Höhe justierst, achte auf das Kabel der hydraulischen Stütze. Führe es einfach vom Lenker-Hebel weg händisch etwas in die gewünschte Richtung mit. 
  • die Sattelklemme/Schraubklemme mit Innensechskant: Diese Variante erfordert ein Werkzeug, und zwar einen passenden Sechskantschlüssel. Das Prinzip ist jedoch dasselbe wie beim klassischen Schnellspanner. Öffne mittels Sechskantschlüssel die Schraubklemme, ziehe den Sattel in die gewünschte Höhe und fixiere die Schraube wieder. 

Nun haben wir den Sattel in die passende Neigung, in die richtige waagrechte Ausrichtung und in die richtige Höhe gebracht. Damit sollten tatsächlich viele deiner Sitzbeschwerden, deutlich gelindert werden – natürlich sofern sie vom Sattel ausgehen.
Es gibt aber auch noch einige andere Stellrädchen am Sitzfleisch, die wir verbessern können:

Die richtige Bike-Hose 

Radhosen (die engen!) und Radinnenhosen (unter den weiten Shorts) verwöhnen dein Sitzfleisch mit einer Polsterung. Je nach Intensität des Radsports, nach Dauer der Tour und nach Vorlieben gibt es dünnere und dickere, weichere und festere Sitzpolster. Hier ist Ausprobieren Trumpf! 

Die Polsterung ist so gestaltet, dass die Sitzbeinhöcker unterstützt werden und die Reibung zwischen Sattel und Schambereich verringert wird. 

Mein Hinterteil ist das Radfahren gewöhnt, und daher bevorzuge ich dünnere, festere Polster. Wer selten fährt, der ist vielleicht mit einer etwas dickeren Polsterung besser "gebettet". 


(K)eine Unterhose

Die besagten Rad-(innen)-Hosen sollten im Normalfall deine Unterhose/Slip/Boxershorts ersetzen. Denn zusätzlicher Stoff würde zu Reibung und Scheuerstellen führen.

Wenn du (vielleicht während deiner Periode) aber mit Unterwäsche fahren möchtest, dann empfehle ich einen nahtlosen und atmungsaktiven Sportslip. Damit wird Schweiß gut abtransportiert und die Scheuerstellen sind so gering wie möglich.

Hygiene am Bike

Wenn deine Haut im Intimbereich sehr zart ist, du sehr lange Strecken zurück legst oder stark schwitzt, sind Scheuerstellen leider keine Überraschung. Und selbst ohne diese drei Gründe kann es vorkommen, dass du von Zeit zu Zeit unter wundgescheuerten Stellen leidest. Ist die Haut erst mal wund gescheuert, tut das echt verdammt weh!

Dem kannst du aber mit einer Sitzcreme vorbeugen: Spezielle, alkoholfreie, milde Sitzcremes für den Intimbereich sorgen für eine Schutzschicht. Manche Cremes sollte man auf Kleidung UND Haut auftragen, manche nur auf die Haut (beachte einfach die Beschreibung). Auf langen Strecken kannst du bei Pausen ruhig mal etwas nachlegen. Wenn du deine Sitzcreme nicht zur Hand hast, kannst du notfalls auch mit PH-neutralen Produkten Abhilfe schaffen. Etwas Babyöl (in Gasthöfen bzw. Wickelräumen vorrätig) oder sogar PH-neutrale Lippenpflegeprodukte (um hier keine Marken zu nenen) funktionieren.

Vorsicht: Hand- und Gesichtscremes sind häufig parfümiert bzw. enthalten Alkohol, was einfach nur brennt wie Hölle. 

Für unterwegs kannst du übrigens auch in deiner Apotheke nach kleinen Probepäckchen fragen. 

Hygiene nach dem Biken

Auch nach dem Biken kannst du deinem Sitzfleisch noch etwas Gutes tun: Die berühmte Dusche danach sollte tatsächlich rasch stattfinden, um Schweiß und Salz abzuwaschen und Bakterien keine Chance zu geben.
PH-neutrale Shampoos oder Shampoos für den Intimbereich sind besonders mild und Popo-freundlich, selbst wenn dieser von den letzten Kilometern am Radsattel schon etwas strapaziert ist.

Mit diesen Tipps und Stellschrauben kannst du nun deine Sattelposition individuell an deine körperlichen Voraussetzungen anpassen. Sei etwas geduldig und verändere immer nur einen Faktor, den du auf einigen Kilometern testest. 

Viel Spaß beim schmerzfreien Biken! 


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